Zustandsgrösse

Der Begriff Zustandsgrösse (Zustandsvariable) beschreibt in der Thermodynamik eine Grösse, die in jedem Zustand des Systems einen Wert hat, der nicht von der Vorgeschichte abhängt. Damit ist aber jede Grösse, die zum System gehört, eine Zustandsgrösse. In der Systemdynamik versteht man unter einer Zustandsgrösse eine zeitabhängige Grösse, deren Änderungsrate durch die Einwirkungen (Einflussgrössen), die Parametern und die Zustandsgrössen selber festgelegt ist. In der Feldlehre können die Potentiale des Gravitationsfeldes, des elektrostatischen Feldes und das Vektorpotential des elektromagnetischen Feldes in Analogie zur Thermodynamik auch als Zustandsgrössen bezeichnet werden.

Thermodynamik

In der Thermodynamik nennt man jede Grösse, die zum System gehört, Zustandsgrösse, um diese von den Austausch- oder Einflussgrössen wie Arbeit und Wärme zu unterscheiden. Die grundlegenden Zustandsgrössen sind die bilanzierfähigen Mengen Volumen V, Entropie S und Stoffmenge n. Dazu kommen noch die zugehörigen Potentialgrössen Druck p, Temperatur T und chemisches Potential μ. Aus der vierten bilanzierfähigen Zustandsgrösse, der inneren Energie U, können über eine Legendretransformation weitere Energiegrössen wie die Enthalpie H, die freie Energie F oder die freie Enthalpie G gebildet werden. Diese Energiegrössen nennt man thermodynamische Potentiale, was zu Verwechslungen mit dem Potentialbegriff der Physik der dynamischen Systeme Anlass geben kann.

Zustandsgrössen lassen sich in Intensive und extensive Grössen einteilen. Intensive Zustandsgrössen bleiben gleich, wenn man zwei oder mehrere gleichartige Systeme vereinigt. Extensive Zustandsgrössen nehmen proportional mit der Grösse des Systems zu. Die mengenartige Grössen (V, S und n) gehören zu den extensiven, die Potenziale (p, T und μ) zu den intensiven Grössen. Der Quotient aus zwei Mengen (Dichte ρ, spezifische Entropie s und Molmasse mmol) ergibt immer eine intensive Grösse.

Systemdynamik

In der Systemdynamik wird der Wert einer Zustandsgrösse durch eine Integration über die Zeit aus der zugehörigen Änderungsrate ermittelt. Die Änderungsrate wiederum ist eine Funktion der Einflussgrössen, der Parameter und der Zustandsgrössen selber. Alle diese Zustandsgrössen werden zu einem Vektor zusammengefasst, dessen Wert den Zustand des Systems eindeutig festlegt. Somit wird ein dynamisches System formal durch die Zustandsgleichung beschrieben, welche die Änderungsrate aller Zustandsgrössen (z) als Funktion der Einflussgrössen (e), der Systemparameter (p) und der Einflussgrössen selber darstellt.

[math]\dot {\vec z} = f(\vec e, \vec p, \vec z)[/math]

Zustandsgrössen werden im Systemdiagramm immer als Topf (Bestandesgrösse) dargestellt. Die Wahl der Zustandsgrössen ist nicht festgelegt.

In der Physik der dynamischen Systeme nimmt man die Primärgrössen als natürliche Zustandsvariablen. In der Mechanik des starren Körpers kommen noch die geometrischen Grössen Ort und Winkel dazu. Die Energie bildet eine zusätzliche Zustandsgrösse, welche buchhalterisch nachgeführt wird, aber keinen Einfluss auf das Verhalten des Systems nimmt.