Dynamische Systeme höherer Ordnung

Lernziele

Problemstellung

Zwei zylinderförmige Gefässe sind über ein bodennahes Röhrchen miteinander verbunden. Solange das eine Gefäss höher als das andere mit Wasser gefüllt ist, fliesst ein Ausgleichsstrom. Nimmt man Öl statt Wasser, bleibt die Strömung laminar und wir können den Ausgleichsvorgang mit einer Exponentialfunktion beschreiben. Nun denken wir uns das Röhrchen immer dicker bis ein mit Wasser gefülltes U-Rohr vor uns steht. Dann erfolgt der Ausgleichsvorgang nicht mehr über einen einmal abklingenden Volumenstrom, sondern über einen abklingend-oszillierenden Volumenstrom. Wäre die Flüssigkeit suprafluid, würde die Oszillation oder Schwingung überhaupt nicht mehr abklingen.

Das Verhalten des U-Rohrs kann durch zwei Speicher mit konstanter Kapazität und einem Leiter mit Widerstand und Induktivität modelliert werden. Analoge Systeme kennt man aus der Elektrodynamik (zwei über eine Spule verbunden Kondensatoren), aus der Translationsmechanik (zwei über eine Feder verbundene Luftkissenfahrzeuge) und aus der Rotationsmechanik (zwei über eine Drehfeder verbundene Schwungräder). Dominiert das Widerstandselement (Strömungswiderstand, elektrischer Widerstand der Spule, Dämpfer in Serie zur Feder), klingt der Potentialunterschied (Druck, Spannung, Geschwindigkeit, Winkelgeschwindigkeit) exponentiell ab, falls sich alle Elemente linear verhalten.

Dynamischen Systemen, die aus zwei Speichern bestehen und die über einen Leiter miteinander verbunden sind, können mathematisch zu einem System mit nur einem Speicher mit reduzierter Kapazität zusammenfasst werden. Systeme mit einem oder zwei Speicher und einer Induktivität, die also zwei unabhängig Energiespeicher besitzen, nennt man Systeme 2. Ordnung, weil man zur Berechnung des Verhaltens zweimal integrieren muss.

Speicher und Leiter

Speicher mit konstanter Kapazität und Leiter mit linearem Widerstand und linearer Induktivität findet man in der Hydrodynamik, der Elektrodynamik, der Translationsmechanik und der Rotationsmechanik.

Gebiet Speicher Widerstand Induktivität Bemerkung
Hydrodynamik [math]\Delta p=\frac{\Delta V}{C_V}=\frac{\varrho g\Delta V}{A}[/math] [math]\Delta p=R_VI_V[/math] [math]\Delta p=L_V\dot I_V[/math] laminare Strömung
Elektrodynamik [math]U=\frac{Q}{C}[/math] oder [math]\dot U=\frac{I}{C}[/math] [math]U=RI[/math] [math]U=L\dot I[/math] Kondensator
Translationsmechanik [math]v_x=\frac{p_x}{m}[/math] [math]\Delta v_x=R_{px}F_x[/math] [math]\Delta v_x=L_{px}\dot F_x[/math] Federgesetz
Rotationsmechanik [math]\omega_x=\frac{L_x}{J_{xx}}[/math] [math]\Delta \omega_x=R_{Lx}M_x[/math] [math]\Delta \omega_x=L_{Lx}\dot M_x[/math] Drehfedergesetz

Die mechanischen Systemparameter sind oft reziprok definiert. So ist der Impulswiderstand gleich dem Reziprokwert der Dämpferkonstanten und die mechanische Induktivität gleich dem Reziprokwert der Federkonstanten.

harmonischer Oszillator

Ein harmonischer Oszillator ist ein schwingungsfähiges System, das einem oder zwei Speicher mit konstanter Kapazität und einem Leiter mit stromunabhängiger Induktivität besteht. Lenkt man ein solches System aus und lässt es los, es sinusförmig (=harmonisch) um seine Ruhelage, wobei die Schwingungsdauer unabhängig von der Grösse der Auslenkung ist. Beispiele für harmonische Oszillatoren sind Federpendel, elektrische Schwingkreise und U-Rohr mit sehr grossem Querschnitt.

Der harmonische Oszillator ist ein wichtiges Modellsystem der Physik. Er ist durch nur zwei Parameter vollständig beschrieben, die Gesamtkapazität und die Induktivität. Viele komplexere Systeme verhalten sich bei kleinen Auslenkungen näherungsweise wie harmonische Oszillatoren. Der harmonische Oszillator in der Quantenmechanik ist eines der wenigen quantenmechanischen Systeme, das sich ohne Näherungen berechnen lässt.

In der Elektrodynamik bildet ein über eine ideale Spule (Induktivität L) kurz geschlossener Kondensator (Kapazität C) einen harmonischen Oszillator. Lädt man den Kondensator auf die Spannung U0 auf und verbindet ihn dann mit einer idealen Spule, ist die Spannung über beiden Elementen unabhängig vom Zustand gleich gross, oder im Sinne des Maschensatzes ist die Umlaufspannung gleich null

[math]U_C+U_L=0[/math]

Setzt man für die beiden Spannungen die zugehörigen konstitutiven Gesetze ein, erhält man

[math]\frac{Q}{C}+L\dot I=0[/math]

Nun ersetzt man noch die Stromstärke über die Bilanz durch die Änderungsrate der Ladung

[math]Q+LC\ddot Q=0[/math]

Die allgemeine Lösung dieser linearen Differentialgleichung 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten ist

[math]Q(t)=Q_0cos(\omega_0t+\beta)[/math]

wobei für die Kreisfrequenz gilt (Lösung in Differenzialgleichung einsetzen und vergleichen!)

[math]\omega_0=\sqrt{\frac{1}{CL}}[/math]

Die Ladungsamplitude Q0 und die Phasenverschiebung hängen von den Anfangsbedingungen ab. Mit Hilfe des kapazitiven Gesetzes kann auf die Spannungs-Zeit-Funktion umgerechnet werden

[math]U(t)=U_0cos(\omega_0t+\beta)[/math] mit [math]U_0=\frac{U_0}{C}[/math]

Ersetzt man die Spannung mit Hilfe des induktiven Gesetzes erhält man eine Funktion für die Änderungsrate der Stromstärke

[math]\dot I(t)=\frac{U_0}{L}cos(\omega_0t+\beta)[/math].

Eine Integration über die Zeit liefert

[math]I(t)=I_0sin(\omega_0t+\beta)[/math] mit [math]I_0=\frac{U_0}{\omega_0L}=U_0\sqrt{\frac{C}{L}}[/math]

Für die Prozessleistung über dem Kondensator oder der Spule gilt

[math]P=UI=U_0I_0cos(\omega_0t+\beta)sin(\omega_0t+\beta)[/math]

Setzt man die Phasenverschiebung β gleich null (freie Wahl des Zeitnullpunktes), erhält man eine Leistung, die mit doppeter Frequenz (Kreisfrequenz durch zwei π) schwingt

[math]P=UI=\frac{U_0I_0}{2}sin(2\omega_0t)[/math]

Während einer Periode oder Schwingungsdauer ( zwei π durch Kreisfrequenz) ist der Kondensator zweimal geladen und der Strom erreicht zweimal seine maximale Stärke. Weil beide Bauteile mit der Spannung (Kondensator) oder mit dem Strom (Spule) Energie speichern, muss die Energie mit der doppelten Frequenz umgesetzt werden.

gedämpfter Oszillator

Energie und Prozessleistung

angeregter Oszillator

graphische Darstellungen

nichtlinere Systeme

Systeme höherer Ordnung

Kontrollfragen

Antworten zu den Kontrollfragen

Physik und Systemwissenschaft in Aviatik 2014