Newtonsche Axiome: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Oberflächenkräfte sind die Impulsstromstärken bezüglich des Systems, folglich können sie wie alle Stromstärken als Flächenintegral aus den Impulsstromdichten (negativer Spannungstensor) berechnet werden. Der Umstand, dass sowohl das Gewichtskraft als auch die Impulsspeicherfähigkeit direkt mit Masse verknüpft sind, erklärt, wieso das Trägheitsprinzip zu einem Zirkelschluss führt, wieso auf der [[rotierendes Bezugssystem|rotierenden Erde]] eine [[Zentrifugalkraft]] sowie eine [[Corioliskraft]] eingeführt werden muss und wieso Einstein die Gewichtskraft auf eine geometrische Erscheinung hat reduzieren können.
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Oberflächenkräfte sind Impulsstromstärken bezüglich des Systems. Folglich können sie wie alle Stromstärken als Flächenintegral aus den Impulsstromdichten (negativer Spannungstensor) berechnet werden. Der Umstand, dass sowohl die Gewichtskraft als auch die Impulsspeicherfähigkeit eines Körpers direkt mit Masse verknüpft sind, erklärt, wieso das Trägheitsprinzip einen Zirkelschluss enthält, wieso auf der [[rotierendes Bezugssystem|rotierenden Erde]] eine [[Zentrifugalkraft]] sowie eine [[Corioliskraft]] eingeführt werden müssen und wieso Einstein die Gewichtskraft auf einen rein geometrischen Effekt hat reduzieren können.
   
 
==Wechselwirkungsprinzip==
 
==Wechselwirkungsprinzip==

Version vom 5. Mai 2007, 09:27 Uhr

Im Jahre 1687 erschien Isaac Newtons berühmtes Werk Philosophiae Naturalis Principia Mathematica (Mathematische Prinzipien der Naturphilosophie). In diesem Buch formulierte Newton drei Grundsätze (Axiome) der Bewegung, die als die Newtonschen Axiome, Newtonsche Prinzipien oder auch Newtonsche Gesetze bekannt sind. Diese drei Axiome lieferten damals, als man die Mechanik hauptsächlich mit Hilfe der euklidschen Geometrie beschreiben wollte, eine saubere Grundlage für die Punktmechanik. Wer aber heute noch in den Newtonschen Prinzipien die Grundlage der Mechanik sieht, ignoriert nicht nur hundert Jahre wissenschaftlichen Fortschritt, er verkennt auch, dass die Punktmechanik mit ihren abstrakten Begriffen wie Beschleunigung und Kraft schwer zu vermitteln ist.

Trägheitsprinzip

Die heute verwendete Formulierung des ersten Netwon'schen Axioms lautet

Jeder Körper verharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmig geradlinigen Bewegung, solange keine Kraft auf ihn wirkt.

Dieses Prinzip, mit dem Newton die Erkenntnisse von Galileo Galilei bezüglich der Trägheit zusammengefasst hatte, umschreibt die kinematische Wirkung des Impulses. In der Sprache der Physik der dynamischen Systeme lautet das erste Gesetz von Newton

Jeder Körper behält seine Geschwindigkeit bei, solange er keinen Impuls mit der Umgebung austauscht.

wissenschaftliche Vorbehalte

Das Trägheitsprinzip enthält einen Zirkelschluss, den Newton nur mit der Einführung eines absoluten Raumese und einer absoluten Zeit durchbrechen konnte. Weil die Grösse der Gewichtskraft, die Stärke der gravitativen Impulsquelle, nicht direkt sondern nur indirekt entweder über die Beschleunigung oder über eine Kompensationskraft gemessen werden kann, musste Newton einen kastenförmigen Weltraum einführen, in dem eine orts- und geschwindigkeitsunabhängige Zeit ohne Rückkopplung mit dem Geschehen abläuft. Dank diesen Rahmenbedingungen lässt sich von jedem Körper sagen, ob er beschleunigt ist oder nicht, ob er absolut kräftefrei ist oder nicht.

Einstein hat das Trägheitsprinzip umgedeutet. In der allgemeinen Relativitätstheorie gibt es keine Gerade mehr, längs derer ein Körper seine Geschwindigkeit beibehalten könnte. Die zum Trägheitsprinzip äquivalente Aussage lautet heute

Die Weltlinie eines kräftefreien Körpers verläuft auf dem kürzesten Weg durch die Raum-Zeit

Unter den Begriff Kraft fallen hier alle Einwirkungen ohne die Gravitation (weil die Gravitation in der Krümmung der Raum-Zeit steckt, gibt es in der relativistischen Welt gar keine Gewichts-, Gravitations- oder Schwerkraft mehr im Sinne von Newton).

didaktische Vorbehalte

Das Kastenuniversum mit der überall synchron zerfliessenden Zeit deckt sich recht gut mit unseren intuitiven Vorstellungen von Raum und Zeit. Nur zerlegt das Gravitationsfeld der Erde unseren Raum in eine Ebene und in ein Unten und Oben. Zudem tauschen alle Körper, die sich selbst überlassen sind, so lange Impuls mit der Erde aus, bis sie zur Ruhe kommen und jeder erzwungene Austausch von Impuls mit der Erde benötigt einen Energieaufwand.

Will man das Trägheitsprinzip an einem einfachen Beispiel erläutern, muss der Körper mechanisch gegen Erde isoliert und durch eine Führung am Fallen gehindert werden. Die Schülerinnen und Schüler können dann erkennen, dass ein Fahrzeug auf der Luftkissenbahn beliebig lang geradeaus fahren würde, wenn nicht noch ein wenig Reibung da wäre. Doch begreifen sie dann auch, dass ein Auto auf Glatteis aus genau dem gleichen Grund die Kurve nicht erwischt oder ziehen sie doch lieber das Fehlkonzept mit der Zentrifugalkraft vor?

Verlegt man den Vorgang in den Weltraum, um sich den störenden Einflüssen der Erde zu entziehen, wird die Sache nicht einfacher. Im Innern einer antriebslosen Weltraumstation erfüllt jeder schwebende Körper die Forderung des Trägheitsprinzips. Doch nach Newton unterliegen alle Körper im Universum der Gravitation. Wenn sich also eine Raumstation nur wenig hundert Kilometer über der Erde befindet, erfahren alle Körper durch die Gewichtskraft eine Beschleunigung von mehr 9 m/s2.

Alternative

Führt man den Impuls als dreifache, bilanzierfähige Primärgrösse ein, enthält das Trägheitsprinzip nur die triviale Aussage, wonach ein Körper seinen Impulsinhalt und damit auch seine Geschwindigkeit beibehält, solange kein Impuls ausgetauscht wird. Der systemdynamischen Zugang zur Physik bringt die Mechanik näher an Erfahrungswelt der Schülerinnen und Schüler heran, regt sie zu weiterem Nachdenken an und öffnet das Tor zur Physik des 20. Jahrhunderts

  • Will ein Schüler mit seinem Fahrrad geradeaus fahren, muss er den an die Luft abfliessenden Impuls (Luftwiderstand) von der Erde her wieder zu führen. Weil der Impuls dazu von der Erde auf die Geschwindigkeit des Fahrrades gepumpt werden muss, ist Velo fahren so anstrengend.
  • Will man ein Auto anhalten, muss man dessen gesamten Impulsinhalt an die Erde abführen. Dazu kann man die Bremse betätigen oder das Auto gegen einen grossen Gegenstand prallen lassen. Da grosse Autos bei gleicher Geschwindigkeit mehr Impuls speichern als leichte, durchbrechen sie leichter eine Abschrankung.
  • Je schneller sich ein Körper bewegt, desto mehr Impuls pro Masse enthält er. Photonen, die immer mit Lichtgeschwindigkeit fliegen, speichern deshalb pro Masse (Energie) am meisten Impuls.
  • Prallen zwei Autos frontal aufeinander, gibt das vorwärts fahrende Auto Impuls an das entgegenkommende ab, bis beide gleich schnell sind. Solche Prozesse diskutiert man am besten im Flüssigkeitsbild.

Aktionsprinzip

Das zweite Axiom, Gesetz oder Prinzip oder das Grundgesetz der Mechanik umschreibt die Wirkung der Kräfte.

Wirkt auf einen Körper eine Kraft, so wird er in Richtung der Kraft beschleunigt. Die Beschleunigung ist der Kraft direkt, der Masse des Körpers umgekehrt proportional. ( F = ma )

Weil Kräfte eine Beschleunigung verursachen, nennt man dieses Axiom auch Beschleunigungsprinzip. Das zweite Prinzip fasst zwei Gesetze der Mechanik zusammen

  1. Bilanzgesetz: Die Summe über alle Impulsstromstärken bezüglich eines Körpers plus die (gravitative) Impulsquelle sind gleich der Änderungsrate des Impulsinhaltes.
  2. Kapazitivgesetz: Der Impulsinhalt eines Körpers dividiert durch seine Masse bestimmt die Geschwindigkeit seines Massenmittelpunktes.

wissenschaftliche Vorbehalte

Das Aktionsprinzip wird häufig zur Definition der Kraft selber verwendet. Weil das Grundgesetz einmal die Kräfte selber definiert und dann deren Wirkung, die Beschleunigung, beschreibt, ist der logische Zirkelschluss nicht zu vermeiden. Da jeder Versuch, die Kraft unabhängig vom zweiten Axiom von Newton zu erklären, logische Mängel aufweist, kann das zweite Gesetz von Newton nur im Sinne eines Axioms verstanden werden, falls die Kräfte als nicht weiter zu definierende Elemente der Mechanik eingeführt werden.

Schnittprinzip

Die technische Mechanik hat sich schon längst von der Newtonschen Axiomatik verabschiedet. Nichtgravitative Kräfte sind reine Schnittgrössen, die an den Kontaktflächen zu andern Systemen auftreten und lokal mit Hilfe des Spannungstensors beschrieben werden können. Die (translatorische und rotatorische) Wirkung der Gravitation selber wird zu einer Ersatzkraft, die im Schwerpunkt des ausgewählten Systems angreift, zusammen gefasst.

Das standisierte Verfahren der technischen Mechanik mit Freischneiden, Grundgesetze formulieren, geometrische (Gelenke) sowie dynamische Randbedingungen (Reibung, eingeprägte Kräfte) setzen hat sich lange bewährt und ist weltweit verbreitet. Wer diese Vorgehensweise aus systemdynamischer Sicht analysiert, fühlt sich aber rasch wie im falschen Film. Da werden Querkraft- und Biegemomentenverläufte mit Hilfe einer längs des Balkens wandernden Schnittebene gesucht, obwohl man mit Hilfe des Strom- und Quellenkonzepts viel effizienter zum gleichen Ziel kommt.

Alternative

Ein Körper kann über die Oberfläche oder über das Gravitationsfeld Impuls mit der Umgebung austauschen. Weil der Impuls eine vektorwertige Grösse ist, haben Stromstärke und Quelle ebenfalls Vektoreigenschaft. Die Summe über alle Impulsstromstärken sowie die Stärke der Quelle ergeben die Änderungsrate des Impulsinhaltes

[math]\sum_i \vec F_i + \vec F_G = \dot {\vec p}[/math]

Ersetzt man die Gewichtskraft durch (schwere) Masse mal die lokale Stärke des Gravitationsfeldes und den Impulsinhalt durch (träge) Masse mal Geschwindigkeit des Massenmittelpunktes erhält man das umfassend formulierte Grundgesetz der Translationsmechanik

[math]\sum_i \vec F_i + m\vec g = m \dot {\vec v}_{MMP}[/math]

Oberflächenkräfte sind Impulsstromstärken bezüglich des Systems. Folglich können sie wie alle Stromstärken als Flächenintegral aus den Impulsstromdichten (negativer Spannungstensor) berechnet werden. Der Umstand, dass sowohl die Gewichtskraft als auch die Impulsspeicherfähigkeit eines Körpers direkt mit Masse verknüpft sind, erklärt, wieso das Trägheitsprinzip einen Zirkelschluss enthält, wieso auf der rotierenden Erde eine Zentrifugalkraft sowie eine Corioliskraft eingeführt werden müssen und wieso Einstein die Gewichtskraft auf einen rein geometrischen Effekt hat reduzieren können.

Wechselwirkungsprinzip

Das dritte Axiom, Gesetz oder Prinzip macht aus jeder Kraft eine Wechselwirkung

Kräfte treten immer paarweise auf. Übt ein Körper A auf einen anderen Körper B eine Kraft aus (actio), so wirkt eine gleich grosse, aber entgegen gerichtete Kraft von Körper B auf Körper A (reactio).

Das dritte Prinzip hat Newton eingeführt, damit der Impuls auch im Zusammenhang mit der Gravitation erhalten bleibt. Aus heutiger Sicht - mit der Kenntnis des Impulses als Grundgrösse der Mechanik - liefert das Wechselwirkungsprinzip nur noch eine triviale Aussage

Überträgt eine Körper Impuls auf einen andern, ist die zugehörige Stromstärke bezogen auf den ersten Körper (Kraft auf den ersten Körper) gleich der Impulsstromstärke auf den andern (Kraft auf den zweiten Körper).