Freie Energie: Unterschied zwischen den Versionen

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Gas unter hohem Druck hat ein grosses Arbeitsvermögen, das spontan in einer Explosion oder kontrolliert in einem [[Pressluftmotor]] freigesetzt werden kann. Strömt das Gas schnell aus, kühlt sich die verbleibende Gasmenge ab. Fliesst das Gas langsam aus dem Behälter, behält die verbleibende Gasmenge die Temperatur bei, weil [[Wärme]] aus der Umgebung zuströmt. Die vom Gas gespeicherte Energie, die [[innere Energie]] des Gases, hängt aber unabhängig von der Prozessführung kaum vom Druck ab. Beim [[ideales Gas|idealen Gas]] nimmt die innere Energie sogar nur mit der Temperatur und überhaupt nicht mit dem Druck zu.
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Gas unter hohem Druck hat ein grosses Arbeitsvermögen, das spontan in einer Explosion oder kontrolliert in einem [[Pressluftmotor]] freigesetzt werden kann. Strömt das Gas schnell aus, kühlt sich der verbleibende Teil ab. Fliesst das Gas dagegen langsam aus dem Behälter, sinkt die Temperatur kaum ab, weil [[Wärme]] aus der Umgebung zuströmt. Nun hängt die vom Gas gespeicherte Energie, die [[innere Energie]] des Gases, nur unwesentlich vom Druck ab. Beim [[ideales Gas|idealen Gas]] nimmt die innere Energie sogar nur mit der Temperatur und überhaupt nicht mit dem Druck zu.
   
 
Um den scheinbaren Widerspruch zwischen mit dem Druck zunehmendem Arbeitsvermögen und druckunabhägniger innerer Energie zu klären, kann die [[Energiebilanz]] bezüglich eines Gases
 
Um den scheinbaren Widerspruch zwischen mit dem Druck zunehmendem Arbeitsvermögen und druckunabhägniger innerer Energie zu klären, kann die [[Energiebilanz]] bezüglich eines Gases
   
:<math>I_{W_{therm}} + I_{W_{mech}} = \dot W</math>
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umgeformt werden. Unter Berücksichtigung der Homogenität (überall gleicher Zustand) und der daraus abzuleitenden Reversibilität der Prozessführung kann der thermische [[zugeordneter Energiestrom|Energiestrom]] auf die Zustandsgrössen [[Temperatur]] und [[Entropie]] umgeformt werden
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umgeformt werden. Unter Berücksichtigung der Homogenität (überall gleicher Zustand) und der daraus abzuleitenden Reversibilität der Prozessführung kann der thermische [[zugeordneter Energiestrom|Energiestrom]] auf die [[Zustandsgrösse]]n [[Temperatur]] und [[Entropie]] umgeformt werden
   
:<math>I_{W_{mech}} = \dot W - I_{W_{therm}} = \dot W - T I_S = \dot W - T \dot S</math>
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Nun kann, solange die Umgebung die Temperatur auf einem festen Wert hält, die rechte Seite der Gleichung als Speicher für die mechanische Energie aufgefasst werden. Diese Argumentation, bei der die Änderung der inneren Energie und die mit der Umwelt unkontrolliert ausgetauschte [[Wärme]] einem gemeinsamen Speicher zugewiesen werden, folgt der Begriffsbildung der [[potenzielle Energie|potenziellen Energie]], bei der die gespeicherte Energie auch dem Körper und nicht dem [[elektromagnetisches Feld|elektromagnetischen Feld]] oder dem [[Gravitationsfeld]], dem eigentlichen Speicher, zugewiesen wird. Die Argumentation mit der mechanisch gespeicherten Energie bleibt konsistent, solange das Gas bei konstanter Temperatur expandiert oder komprimiert wird. Sobald das Gas aber unterschiedliche Prozesse durchläuft, muss man die Idee einer mechanisch gespeicherten Energie, eines Arbeitsvermögen, fallen lassen.
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Solange die Umgebung die Temperatur auf einem festen Wert hält, darf die rechte Seite der Gleichung als Speicher für die mechanische Energie aufgefasst werden. Diese Argumentation, bei der die Änderung der inneren Energie und die mit der Umwelt unkontrolliert ausgetauschte [[Wärme]] einem gemeinsamen Speicher zugewiesen werden, folgt der Begriffsbildung der [[potenzielle Energie|potenziellen Energie]], bei der die gespeicherte Energie fälschlicherweise dem Körper und nicht dem [[elektromagnetisches Feld|elektromagnetischen Feld]] oder dem [[Gravitationsfeld zugewiesen wird. Die Argumentation mit der mechanisch gespeicherten Energie bleibt konsistent, solange das Gas bei konstanter Temperatur expandiert oder komprimiert wird. Sobald das Gas aber unterschiedliche Prozesse durchläuft, muss man die Idee einer mechanisch gespeicherten Energie, eines Arbeitsvermögen, fallen lassen.
 
Die [[Enthalpie]], die für die thermisch gespeicherte Energie steht, übernimmt eine zur freien Energie äquivalente Funktion. Nur steht dort die Wärme statt der Arbeit im Zentrum des Interesses. Die '''Enthalpie''' ist ein Mass für die thermisch gespeicherte Energie, solange die Umwelt den '''Druck''' stabilisiert. Die '''freie Energie''' ist ein Mass für die mechanisch gespeicherte Energie, solange die Umwelt die '''Temperatur konstant''' hält.
 
   
 
==Definition==
 
==Definition==

Version vom 13. Dezember 2007, 11:31 Uhr

Die freie Energie (auch Helmholtz-Energie) ist ein Mass für das Arbeitsvermögen eines thermodynamischen Systems. Die freie Energie wird in Joule (J) gemessen. Als Formelzeichen wird oft F verwendet.

Motivation

Gas unter hohem Druck hat ein grosses Arbeitsvermögen, das spontan in einer Explosion oder kontrolliert in einem Pressluftmotor freigesetzt werden kann. Strömt das Gas schnell aus, kühlt sich der verbleibende Teil ab. Fliesst das Gas dagegen langsam aus dem Behälter, sinkt die Temperatur kaum ab, weil Wärme aus der Umgebung zuströmt. Nun hängt die vom Gas gespeicherte Energie, die innere Energie des Gases, nur unwesentlich vom Druck ab. Beim idealen Gas nimmt die innere Energie sogar nur mit der Temperatur und überhaupt nicht mit dem Druck zu.

Um den scheinbaren Widerspruch zwischen mit dem Druck zunehmendem Arbeitsvermögen und druckunabhägniger innerer Energie zu klären, kann die Energiebilanz bezüglich eines Gases

[math]I_{W_{therm}}+I_{W_{mech}}=\dot W[/math]

umgeformt werden. Unter Berücksichtigung der Homogenität (überall gleicher Zustand) und der daraus abzuleitenden Reversibilität der Prozessführung kann der thermische Energiestrom auf die Zustandsgrössen Temperatur und Entropie umgeformt werden

[math]I_{W_{mech}}=\dot W-I_{W_{therm}}=\dot W-T I_S=\dot W-T\dot S[/math]

Solange die Umgebung die Temperatur auf einem festen Wert hält, darf die rechte Seite der Gleichung als Speicher für die mechanische Energie aufgefasst werden. Diese Argumentation, bei der die Änderung der inneren Energie und die mit der Umwelt unkontrolliert ausgetauschte Wärme einem gemeinsamen Speicher zugewiesen werden, folgt der Begriffsbildung der potenziellen Energie, bei der die gespeicherte Energie fälschlicherweise dem Körper und nicht dem elektromagnetischen Feld oder dem [[Gravitationsfeld zugewiesen wird. Die Argumentation mit der mechanisch gespeicherten Energie bleibt konsistent, solange das Gas bei konstanter Temperatur expandiert oder komprimiert wird. Sobald das Gas aber unterschiedliche Prozesse durchläuft, muss man die Idee einer mechanisch gespeicherten Energie, eines Arbeitsvermögen, fallen lassen.

Definition

Die freie Energie, die der Fiktion des mechanischen Energiespeichers entspringt, hat als sauber definierte Zustandsgrösse einen Platz in der Thermodynamik gefunden. Für homogene Gase ist die freie Energie gleich der inneren Energie minus das Produkt aus Entropie und Temperatur

[math]F = W - TS = U - TS[/math]

In der zweiten Form ist das klassische Formelzeichen U für die innere Energie verwendet worden. Die innere Energie oder Selbstenergie eines Systems, die gemäss der Relativtitätstheorie gleich Mass mal Lichtgeschwindigkeit im Quadrat ist, wird üblicherweise bei einem bestimmten Zustand (T0, p0) gleich Null gesetzt.

Komprimiert oder expandiert man ein homogenes Gas bei konstant gehalterner Temperatur, gilt

[math]I_{W_{mech}} = \dot W - T \dot S = \dot F[/math]

Bei konstant gehaltener Temperatur ist der mechanische Energiestrom, die mechanische Leistung, gleich der Änderungsrate der freien Energie.

isotherme Expansion

Lässt man ein ideales Gas isotherm expandieren, bleibt die innere Energie, die nur von der Temperatur abhängt, konstant. Die durch die Expansion in Form von Arbeit abgegebene Energie wird vollständig von der Umgebung in Form von Wärme zugeführt. Die Energiebilanz für die isotherme Expansion eines idealen Gases lässt demnach die vom Gas gespeicherte Energie unverändert

[math]I_{W_{mech}} + I_{W_{therm}} = \dot W = 0[/math]

Formt man die Energiebilanz über die Zuordnung auf die Zustandsgrössen um, was bei reversibler Prozessführung erlaubt ist, gewinnt man einen Zusammenhang zwischen den Änderungsraten der Entropie und des Volumens (hier wird wie beim Modell des idealen Gases die Idee einer Hilfsflüssigkeit verwendet, die vom Gas kontrolliert verdrängt werden kann)

[math]I_{W_{mech}} + I_{W_{therm}} = p I_{V_{HF}} + T I_S = -p \dot V + T \dot S[/math]

Lässt man nun ein Gas bei konstanter Temperatur um das x-fache des Anfangsvolumens expandieren, beträgt die Expansionsarbeit

[math]W_{ex} = -\int p dV = -\int \frac {n R T}{V} dV = -n R T \ln(x)[/math]

Aufgrund der aus der Energiebilanz gewonnen Beziehung zwischen Entropie und Volumen ist dann die zugeführt Entropie gleich

[math]S = -\frac {W_{ex}}{T} = n R \ln(x)[/math]

Somit hat die freie Energie bei dieser Expansion um

[math]\Delta F = \Delta W - T S = 0 - n R T \ln(x)[/math]

abgenommen, was gerade der Expansionsarbeit entspricht. Die frei Energie ist eine Art Arbeitsvermögen eines auf konstanter Temperatur gehaltenen Gases, weil das expandierende Gas Entropie von der Umgebung aufnimmt und die damit zugeführte Energie direkt als Expansionsarbeit wieder abführt. Bei der isothermen Expansion fungiert das Gas als Wandler, der Wärme vollständig in Arbeit transformiert. Die bei diesem Vorgang aufgenommene Entropie vermindert aber die weitere Wandlungsfähigkeit, was durch die Verminderung der freien Energie ausgedrückt wird.