Gleitreibung

Phänomen

Ein auf einer ebenen Fläche gleitender Körper kommt früher oder später zum Stillstand, weil er unter der Wirkung der sich verformenden Grenzschicht fortlaufend Impuls mit der Unterlage austauscht. Die zugehörige Impulsstromstärke, die Gleitreibungskraft auf den Körper, ist immer gegen die Geschwindigkeit gerichtet.

Modellmässig lassen sich zwei Fälle unterscheiden:

Unter Gleitreibung versteht man meistens nur die Trockenreibung. Diese Reibung hat eine höchst komplexe Ursache, liefert nur beschränkt reproduzierbare Resultate und kann sich unter der eigenen Wirkung verändern (Erwärmung, Materialabtrag und -veränderung). Die nachfolgenden Modelle bilden das Phänomen Gleitreibung also nur in grober Näherung nach. Empirisch stellt man fest, dass die Gleitreibungskraft proportional zur Normalkraft ist und in erster Näherung nicht vom Betrag (wohl aber von der Richtung) der Geschwindigkeit abhängt. Kommt der Körper zur Ruhe, bildet er mit der Unterlage eine feste Verbindung. Folglich sind zwei Fälle zu unterscheiden: der Gleitreibungszustand und der Haftreibungszustand. Im Gleitreibungszustand ist die Kraft, die Impulsstromstärke, gegeben; im Haftreibungszustand ist die Bewegung, die Ruhe, vorgegeben und die Grösse der Haftreibungskraft hängt von den andern Einwirkunen ab.

Schulbuchmodell

Weil die Gleitreibung eine (ungefähr) konstante Kraft liefert, wird sie in den Schulbüchern ausführlich behandelt. Leider bespricht man dabei oft nur die beiden Fälle "gleiten bis zum Stillstand" und "Stillstand an der Grenze zum Gleiten". Das Schulbuchmodell der Trockenrreibung beschreibt das Phänomen mit zwei Formeln

[math] F_R = \mu F_N[/math] falls sich der Körper bewegt
[math] F_{HR} \le \mu_H F_N[/math] falls der Körper ruht

Die Gleitreibunszahl (μ) und die Haftreibungszahl (μH) hängen vom Material und der Beschaffenheit der beiden sich berührenden Oberflächen ab, sind experimentell ermittelt worden und können den Tabellen entnommen werden. Die Haftreibungszahl ist in der Regel grösser als die Gleitreibungszahl. Weil die Geschwindigkeit nicht explizit in der Formel vorkommt, wird oft behauptet, dass die Gleitreibungskraft geschwindigkeitsunabhängig ist. Die Abhängigkeit steckt aber im Vorzeichen, wie man am Beispiel eines sich hin- und herbewegenden Körpers gut überlegen kann.

Systemdynamikmodelle

Für Bewegungen längs einer Geraden kann man die Schulbuchformel übernehmen und vervollständigen

[math]F_R=\mu F_N |v|[/math]

Für die Vorzeichenfunktion (sgn) gilt:

v sgn
v > 0 sgn = 1
v = 0 sgn = 0
v < 0 sgn = -1

Diese Formulierung beschreibt den Stillstand schlecht, weil dann die Kraft einen beliebigen Wert zwischen FHRmax und -FHRmax annehmen kann.

IF-Then-Else-Modell

Im einfachst möglichen Modell unterscheidet man die Fälle Geschwindigkeit grösser Null und Geschwindigkeit kleiner Null:

Reibungskraft = iF v>0 then -mue*Normalkraft else mue*Normalkraft

Dieses Modell funktioniert gut, solange der Körper seine Bewegungsrichtung nicht zu oft wechselt und dabei nie still steht.

Arcustangens-Modell

Man kann die Signumfunktion durch eine auf eins normierte und auf der Zeitachse gestauchte Arcustangensfunktion annähern

sgn(v) = (2/pi)*arctan(k*v)

Dieses Modell funktionktioniert auch bei Stillstand, solange man mit konstanter Schrittweite integriert. Der Faktor k muss der Geschwindigkeit und dem Zeitschritt entsprechend gewählt werden. Im Stillstand tritt ein gewisser Schlupf ein, sobald weiter Kräfte auf den Körper einwirken.

Tangens-Hyperbolicus-Modell

Der Wertebereich des Tangens Hyperbolicus

[math]\operatorname{tanh} x = \frac{e^{x} - e^{-x}}{e^{x} + e^{-x}}=\frac{e^{2x}-1}{e^{2x}+1}=1-\frac{2}{e^{2x}+1}=\frac{\sinh x}{\cosh x} [/math]

liegt zwischen -1 und +1. Folglich eignet sich diese Funktion, falls sie im Simulationswerkzeug implementiert ist, noch besser, um die Vorzeichenfunktion zu approximieren

sgn(v) = tanh(k*v)

Der Faktor k muss wiederum der Geschwindigkeit und dem Zeitschritt entsprechend gewählt werden.

Modelicamodelle