Lotka-Volterra-Gleichung

Die Lotka-Volterra Gleichungen beschreiben das einfache Räuber-Beute-Modell ohne Futterbegrenzung und ohne weitere Einflüsse.

Motivation

Zur Modellierung des Räuber-Beute-Verhaltens geht man von einer Beutepopulation (nachfolgend Hasen genannt) und einer Räuberpopulation (nachfolgend Füchse genannt) aus. Die Geburtenrate der Hasen soll proportional zu ihrem momentanen Bestand H sein. Entsprechendes gilt für die Sterberate der Füchse. Die Sterberate der Hasen ist gleich der Beuterate der Füchse, die wiederum proportional zum Produkt aus der Zahl der Hasen und der Füchse sein soll. Diese Beziehung ergibt sich aus der Überlegung, dass die Wahrscheinlichkeit eines Hasenopfers proportional mit der Zahl der Hasen und der Füchse zunimmt. Weil sich die Ernährungslage der Füchse mit jedem erbeuteten Hasen verbessert, sei die Geburtenrate der Füchse ebenfalls proportional zur Beuterate. Fasst man die Überlegungen zusammen, erhält man das Lotka-Volterra-Gleichungssystem.

[math]\dot H=k_1H-k_{12}HF=H(k_1-k_{12}F)[/math]
[math]\dot F=k_{21}HF-k_2F=F(k_{21}H-k_2)[/math]

Aus der systemdynamischen Modellierung des Räuber-Beute-Modells und der nachfolgenden Darstellung der Simulation im Phasendiagramm (Hasen gegen Füchse) ersieht man, dass das System einen stationären Punkt aufweist, der von allen andern Systemzuständen umrundet wird.

Das System bleibt stabil, falls beide Änderungsraten gleich Null sind. Aus dieser Gleichung folgt für die stabile Zahl von Hasen und Füchsen

[math]H_s=\frac{k_2}{k_{21}}[/math] und [math]F_s=\frac{k_1}{k_{12}}[/math]

Potenzial

Die Zahl der Hasen und Füchse entwickelt sich ähnlich wie die beiden Koordinaten Ort und Impuls eines eindimensionalen mechanischen Systems. Zudem läuft der Zustandsvektor mit den beiden Komponenten Hase und Fuchs wie bei einem Hamilton-System um einen "Potenzialberg" herum.

Um eine Funktion für den Potenzialberg zu finden, vermindern wir zuerst die Zahl der frei wählbaren Parameter durch Division der Zahl der Hasen und Füchse mit den beiden stationären Werten. So erhalten wir ein dimensionsloses Gleichungssystem mit dem stationären Punkt bei [1,1]

[math]\dot h=k_1h(1-f)[/math]
[math]\dot f=k_2f(h-1)[/math]

Dividiert man die Hasengleichung durch die Fuchsgleichung, folgt eine zeitfreie Darstellung, die sich gut separieren lässt. Ein beidseitig Integration liefert dann

[math]k_2(h-h_0)+k_1(f-f_0)-k_2\ln\frac{h}{h_0}-k_1\ln\frac{f}{f_0}=0[/math] oder [math]k_2(h-\ln h)+k_1(f-ln f)=k_2(h_0-\ln h_0)+k_1(f_0-ln f_0)[/math] = konstant = k

Nun kann man zwei neue Variablen einführen, welche den Abstand zum stationären Punkt (Koordinaten [1,1]) messen

x = h - 1 sowie y = f - 1

und die beiden Logarithmusfunktionen bis zum quadratischen Glied entwickeln. Das Resultat erinnert an die Hamilton-Funktion des harmonischen Oszillators.

[math]k_2 (\frac{x^2}{2}-\frac{x^3}{3}+...)+k_1 (\frac{y^2}{2}-\frac{y^3}{3}+...)=k-2\approx \frac{k_2x^2}{2}+\frac{k_1y^2}{2}[/math]

Diskussion

Sowohl die Beute- als auch die Räuberpopulation oszillieren ungedämpft um einen stationären Punkt. Die stationäre Zahl der Hasen ist gleich dem Quotienten aus Sterberate und Geburtenrate der Füchse. Die entsprechende Zahl der Füchse entspricht dem Verhältnis der Geburtenrate zu Sterberate der Hasen.

Bildet man aus den Gleichungen eine zeitunabhängige "Potenzialfunktion" P und linearisiert diese um den stationären Punkt, erhält man eine zur Hamilton-Funktion des harmonischen Oszillators analoge Darstellung. Entsprechend sind die zugehörigen Differentialgleichungen linear

[math]P,_x=k_2x=\dot y[/math]
[math]P,_y=k_1y=-\dot x[/math]

Hier ist die partielle Ableitung wie in der Systemphysik üblich, mit Hilfe der Einstein-Notation formuliert worden.

Die Lösung dieser Gleichungen liefert eine Periode von

[math]T=\frac{2\pi}{\sqrt{k_1 k_2}}[/math]

Die Frequenz der Populationsschwankungen ist folglich proportional zum geometrischen Mittel aus Geburtenrate der Hasen und Sterberate der Füchse.